Vor fast einem Jahrhundert legte der Spremberger Oberpostassistent und Ortschronist Walter Heinich (1876-1940) nach Ende des 1. Weltkrieges (1914-1918) sein Buch „Spremberg - Versuch zu einer Ortsgeschichte ...” vor, das zum grundlegenden lokalgeschichtlichen Werk der Gemeinde Spremberg wurde (siehe Literatur). Da er auch maßgeblich in den Vereinigungsprozess der Landgemeinde Spremberg mit der Kleinstadt Neusalza 1920 zur Stadt Neusalza-Spremberg eingebunden war und darüber publizierte, etablierte er sich nach dem Neusalzaer Stadtchronisten und Oberlausitzer Heimatforscher Gustav Hermann Schulze (1833-1901) zum anerkannten Lokalhistoriker der Stadt Neusalza-Spremberg in der Zeit zwischen beiden Weltkriegen. W. Heinich legte seinerzeit seinem Werk eine von ihm gezeichnete Flurkarte im Maßstab 1: 25.000 mit sehr interessanten Details bei (siehe unten), die die Verfasser (2011) untersuchten und aus heutiger Sicht erläutern. |
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In dem Zusammenhang soll zugleich darauf hingewiesen werden, dass der Neusalza-Spremberger Chronist Walter Heinich nicht mit dem sudetendeutschen Nationalökonomen, Soziologen und Politiker Walter (Adolf Franz) Heinrich (1902-1984) zu verwechseln ist, der sich auch mit mittelalterlichen Maß- und Flächeneinheiten beschäftigte. Da auf W. Heinichs Karte von 1918 die Maße in Königsruten (virga regalis) in einer Länge zu je 4,7 m angegeben sind, ist zu schlussfolgern, dass die Flureinteilung Sprembergs - die erst 1670 gegründete Stadt Neusalza dabei eingeschlossen - bereits zur Zeit der Ortsgründung im Mittelalter unter der Leitung des wahrscheinlichen Lokators Hertwicus de Sprewemberch (um 1200- um 1260) durch deutsche Kolonisten aus Franken und Thüringen erfolgte. Nach Heinichs Forschungen wurde Spremberg mit 24 Königshufen (mansus regalis, 1 Königshufe = 47,736 ha bzw. 21.600 Quadrat-Königsruten), je zwölf nördlich und südlich der Spree, vermessen, die eine Fläche von insgesamt 1.146 ha ergaben. Weitere Flurvermessungen, so im Jahre 1840, stellten jedoch fest, dass die mittelalterlichen Feldmesser nicht die gerade Entfernung zwischen den Endpunkten wählten, sondern immer entlang der Wege vermaßen. Deshalb zeigt sich der Flurplan Sprembergs in einer Art verschobenes Quadrat. Welche Veränderungen sind diesbezüglich zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegenüber 1918 eingetreten? |
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Das Flurstück „Kirchbauer”: | Als späteres Anwesen der ehemaligen Bauernwirtschaft Christian Stosch im Niederdorf (Grenzstraße) ist es heute Nutzland der Agrargenossenschaft Eibau eG in Neusalza-Spremberg. |
Die „Spreeaue”: | Diese bei Hochwasser vormals entstandene überflutungsfläche der damals noch nicht regulierten Spree war demzufolge nicht besiedelbar und konnte nur als landwirtschaftliche Weidefläche genutzt werden. |
Das Flurstück „Viehweg” (Nr.11): | Auf der Flur befindet sich der obere Weideweg durch "Schindlers Büschl", links oberhalb des Beiersdorfer Weges. Inzwischen wurde der jetzige Beiersdorfer Weg ausgebaut und der obere Weideweg zum Wanderpfad und zur Weidefläche. |
Das Flurstück "Pfarrwiedemuth" (Nr. 43): |
Das wahrscheinlich schon in der Gründungszeit des Dorfes den Spremberger Pfarrern zu ihrem unterhalt übereignete Land zog sich in einer Breite von etwa 50 Metern von der heutigen Rosenstraße, beidseitig entlang der Bergstraße, nach Süden bis zur böhmischen Grenze hin. |
Das Flurstück "Das vertauschte Feld": | das einst am Taubenheimer Weg westlich in die Oppacher Flur hineinragte und südlich an das böhmische Fugau, heute Wüstung Fukov, grenzte, galt wahrscheinlich als Übermaß (Beunde), das bei der mittelalterlichen Flurvermessung Sprembergs nicht berücksichtigt wurde und somit Allmende (Gemeindeland) war. Der kuriose Name rührt wohl daher, dass im späten Mittelalter, im frühen 16. Jahrhundert, die Spremberger und Oppacher Gutsherrschaften - die Landadligen von Raussendorf und von Rechenberg - Flurstücke untereinander austauschten, so auch den „Koppritzwald”, auch als "Großer Wald" bezeichnet, der heute zur Gemarkung Oppach gehört. |
Die "Rote Lehde” | war ein ehemaliger Wirtschaftsweg der Spremberger und Neusalzaer und ist die heutige Lindenstraße, die über den Lindenberg (Friedhof) zum heutigen Wald- und Erlebnisbad der Stadt verläuft. |
Der damalige Landweg nach Löbau, | der beim Kretscham begann, ist der heutige Lammweg. Er führt auf Höhe des Kretschamberges, einem Ausläufer des Fuchsberges, zu den Schmiedesteinen. Da sich hier die alten Straßen von Zittau nach Bautzen und von Löbau nach Schluckenau (Böhmisches Niederland) kreuzten, könnte sich der Sage nach an dieser Stelle vor der Reformation eine Kapelle befunden haben, die später verfiel. |
Die damalige Landstraße nach Bautzen, | die über den Spremberger Heidelberg nach Oppach führte und als Teil der historischen Kaiserstraße gilt, wurde durch den Bau der F-96, heute B-96, im Jahre 1937 bedeutungsgemindert und ist seit wenigen Jahren ein durchgehender asphaltierter Land- bzw. Wirtschaftsweg. |
Die damalige Landstraße ins böhmische Schluckenau (Šluknov) | ist die heutige Sonnebergstraße (vom Obermarkt in die Kirchstraße geradlinig über das Bahngelände führend) bis zum Ortsteil Sonneberg an der tschechischen Staatsgrenze bei dem ehemaligen Ausflugslokal „Waldestal”, einst „Rote Tonne”. In der Verlängerung wird die Sonnebergstraße danach ein Rad- und Wanderweg, der an der ehemaligen böhmischen "Quarkschänke" vorbeiführt und in Schluckenau endet. |
Das ehemalige Niedere Rittergut | ging nach der Gründung der Stadt Neu-Salza 1670 in deren Fluren auf und existiert heute nicht mehr. Hierbei deutet die Flächeneinzeichnung auf die Wohnhäuser in der Bautzener Str., Nr. 3 und 4 - ehemals "Die Scharfe Ecke", eine Bäckerei - hin. Aufschlussreich ist hierbei, dass ältere und mittlerweile verstorbene Neusalza-Spremberger auch ein „Oberes wüstes Gut” und ein „Niederes wüstes Gut” kannten. Beide Gehöfte waren jedoch keine Herrensitze und wurden zum Zeitpunkt der Stadtgründung als „öde Spremberger Bauerngüter” überliefert, die bei der Eingrenzung der Stadtflur Berücksichtigung fanden. Das Niedere wüste Gut soll sich auf dem Gelände des heutigen „Quelle-Shops” am Eingang der Bautzener Straße und das Obere wüste Gut hingegen in der heutigen Rosentraße befunden haben. |
Das ehemalige Obere Rittergut | im Oberdorf war bis 1945 das herrschaftliche Gutshaus, zu DDR-Zeiten das Kulturhaus der Stadt und ist heute eine Kindertagesstätte (Kita). |
Literatur (Auswahl) |
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Heinich, Walter: Spremberg -Versuch zu einer Ortsgeschichte des Kirchdorfes Spremberg in der sächsischen Oberlausitz. Spremberg u. Schirgiswalde 1918 Heinich, Walter: Die fränkische Hufe in der Oberlausitz. Ein Beitrag zur Siedlungsgeschichte. In: Geschichte und Geschichten aus Neusalza-Spremberg, Band 4. Hrsg. von Günter Hensel, Neusalza-Spremberg: Kultur- und Heimatfreunde e. V. 2011, S. 112-139 Mohr, Lutz: Neusalza-Spremberg. Eine Kleinstadt in der Oberlausitz. Streiflichter aus Geschichte und Sage. Reihe: Geschichte und Geschichten aus Neusalza-Spremberg. Sonderausgabe Nr. 1/2012 |
Verfasser |
Lutz Mohr, (* 1944) in Neusalza-Spremberg, heute Greifswald, korrespondierendes Mitglied der IGO Neusalza-Spremberg Eberhard W. Winkler, (* 1945) in Neusalza-Spremberg, Mitglied der IGO |
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